Tuesday 24 July 2012

Ein Tag mit Vision Guatemala

Es ist sechs Uhr morgens in Guatemala, die Sonne geht gerade auf und Nicola sitzt bereits vor ihrem Computer und kämpft mit ihrem Drucker. Dieser bildet einen wichtigen Bestandteil des Projektes Vision Guatemala, das unter der Leitung von Nicola Roten Mikrokredite auf der Basis einer NGO vergibt. Der Drucker sollte nämlich eigentlich sämtliche Verträge und Schulungsunterlagen erstellen…sollte.


Nach knapp zwei Stunden Kampf mit dem Drucker und weiteren Backoffice Arbeiten bleibt um acht Uhr kurz Zeit für ein Frühstück.

Ein Frühstück bei Cesar und Nickie besteht aus Eiern, Bohnen und Tortillas.
Üblicherweise besteht dieses aus Eiern, Bohnen und Tortillas aber um dies gleich zu Beginn klar zu stellen: Normal und geplant ist hier gar nichts! Also werden zum Frühstück die Spaghettis und ein halbes Quesedilla vom Vortag für das Team aufgewärmt, dazu etwas Toast mit Tomaten.

Um neun Uhr beginnt dann die erste Gruppensitzung in San Juan, wo ein Grossteil der ausschiesslich weiblichen Kreditnehmerinnen lebt und arbeitet. Bei dem Meeting geht es einerseits darum, dass die vier Mitglieder dieser Kreditgruppe ihre Kreditrate in bar bezahlen können und andererseits werden sie von Nicola geschult. Alle vier Mitglieder handeln mit selbst gewobenen Textilien. Das Thema an diesem Morgen sind Saisonschwankungen. Die Mitglieder sollen lernen, dass in der Hauptsaison sehr viele Güter verkauft werden können, die Einkaufspreise für die Rohstoffe dagegen fast doppelt so teuer sind. Alle Mitglieder haben bereits drei Sitzungen zuvor eine einfache Tabelle mit verschiedenen Spalten erhalten. In der ersten Spalte steht die Saison (z.B. Jan.-März) in der Zweiten die Vorteile der Saison, in der Dritten die Nachteile und in der Letzten das Fazit. Eine einfache Aufgabe eigentlich…nicht so für Menschen die kaum und oft gar nicht lesen oder schreiben können. Deshalb nimmt sich Nicola die Zeit, alle zwei Wochen innerhalb von einer Stunde eine Saison zu definieren.


Diese Gruppe ist seit Januar 2012 bei Vision Guatemala. Die Mitglieder haben ihren ersten Kredit im Mai erhalten. Der Ausbildungskurs geht jedoch nahtlos weiter und findet zweiwöchentlich anlässlich der Ratezahlungen statt.
Um zehn Uhr geht es dann weiter zur nächsten Gruppe…ebenfalls vier Personen, von denen heute nur drei anwesend sind. Eine davon bezahlt und macht sich gleich wieder an die Arbeit (sie verkauft Mittagessen). Ein Mitglied ist gar nicht erschienen, sondern hat die Ratenzahlung bei den andern Frauen hinterlegt. Dafür stehen zwei ganz neue Frauen auf der Matte, die vom Projekt gehört haben und nun auch gerne einen Kredit hätten. Somit fällt die Schulung aus und Nicola nutzt die Zeit um ihnen das Grundkonzept zu erklären. Dieses sieht vor, dass Kreditgruppen von  4 – 8 Personen gebildet werden, die für einander unbeschränkt und solidarisch haften. Wer in eine Gruppe aufgenommen wird, bestimmt Nicola anhand von Informationen, die sie bei Interviews und Hausbesuchen einholt, und  ihrer persönlichen Einschätzung. Nur so lässt sich die bewundernswerte Rückzahlquote von 100% am Ende des Jahres aufrecht erhalten. Nun zurück zum Meeting das kurzerhand von einer Schulung zu einer Infoveranstaltung wurde, dies ist deshalb normal, da Nicola keine Werbung macht, sondern das Projekt durch Mund zu Mund Propaganda zu neuen Mitgliedern gelangt. Nach dieser kurzen Einführung und der Aufnahme von Personalien vereinbart Nicola mit den beiden Frauen einen Termin bei ihnen zu Hause um sich ein erstes Bild ihrer Lebenssituation und Geschäftsidee zu machen.

Viele unserer Mitglieder in San Juan sind Weberinnen. Wir sehen sie häufig bei der Arbeit, da die Herstellung eines Kleidungsstücks mehrere Tage dauert und die Kreditnehmerinnen normalerweise auf Bestellung arbeiten. Clementina (Bild) und ihre Mutter sind beides Weberinnen. In ihrem zu Hause findet die aktuelle Gruppensitzung statt.
Kurz vor  11 Uhr platzt die Frau einer andern Kreditgruppe in das Treffen, da sie gehört hat, dass Nicola im Dorf ist. Nachdem wir uns verabschiedet haben, machen wir uns auf den Weg zu einer ausserordentlichen Sitzung mit dieser Gruppe. Das Konzept von Vision Guatemala sieht vor, dass die Frauen nach der erfolgreich absolvierten Einführungsschulung, die zwischen 2 und 4 Monate dauert, gestaffelt ihre Kredite erhalten um das Risiko zu minimieren. Dies ist eines von vielen Sicherungsmitteln und hat sich bisher bewährt. Welche Frau wann ihr Geld zuerst erhält, müssen die Mitglieder der Gruppe untereinander vereinbaren.

Nun zum Problem dieser Gruppe: sie können sich nicht einigen und Nicola muss den Streit schlichten. Sie erklärt geduldig, dass schlussendlich alle Mitglieder einen Kredit erhalten werden.

Noch vor dem Mittagessen besuchen wir ein weiteres Mitglied, das schon seit einigen Tagen krank im Bett liegt. Nicola erkundigt sich genauestens nach ihrem Zustand und versucht zu helfen, wo sie nur kann. Schon am Vortag hat sie vergebens versucht einen Artzt aufzutreiben, der vorbeikommen kann. Auch die Kliniken sind hier überbelegt. Es fehlt zudem an entsprechenden Untersuchungsinstrumenten. Wir versprechen, am Nachmittag nochmals vorbei zu kommen und irgend etwas aufzutreiben, das helfen könnte.

Der Arbeitsweg zwischen San Pedro und San Juan wird häufig auf der Ladefläche eines Pickups zurückgelegt. Das Fahrzeug hält alle paar Meter an und lädt Passagiere auf und ab.
Nach einer weiteren Stunde fahren wir mit dem „öffentlichen Bus“ (d.h. auf der Ladefläche eines Pick-ups) zurück nach San Pedro, wo wir auf dem Markt das Wichtigste für die nächsten Tage einkaufen. Frische Früchte (Ananas, Mango, Limetten und Papaya) und Gemüse (Zwiebeln, Tomaten und Avocados), all diese Nahrungsmittel wachsen maximal 10 Km vom Dorf entfernt. Wir kaufen auch ein Stück Ingwer für die kranke Frau. Da die Zeit heute zu knapp ist um zu kochen, kaufen wir drei fertig zubereitete Portionen mit Reis, Tomatensauce, Poulet, Salat aus einem Plastiksack und Bohen für total knapp 4 Franken.

Nach dem Mittagessen und kurzen Backofficearbeiten geht es um 14.00 Uhr wieder weiter mit dem Tuctuc. Ein Tuctuc ist ein kleines überdachtes Motorfahrzeug auf drei Rädern und Platz für 3 Personen inkl. des Fahrers nach Schweizer Verhältnissen…in Guatemala passen problemlos vier Erwachsene und deren Kinder hinein!

Taxi in San Juan La Laguna
Unser zwei Uhr Termin ist die Pflanzenfrau Josefa. Ihre ganze Familie handelt mit Pflanzen, die auf dem Hausdach in klein zugeschnittenen Säcken und Bechern aus leeren Pet-Flaschen gezüchtet werden. Mit Hilfe einer selbst gebastelten Leiter klettern wir auf das Blechdach, dass mit Holzbrettern belegt wurde. Hier sollten wir eigentlich Inventur machen um ihre Buchhaltung zu prüfen. Da es sich um schätzungsweise 200 Pflanzen handelt, machen wir Fotos, die wir später miteinander vergleichen können. Josefa soll in den nächsten Tagen einen neuen Kredit erhalten, deshalb wird alles Vorhandene überprüft.

Josefa züchtet auf dem Hausdach verschiedene Pflanzenarten und verkauft sie anschliessend an Hotels und Hausbesitzer mit Garten. Sie ist seit über einem Jahr Mitglied von Vision Guatemala und investiert in Kürze zum zweiten Mal einen Mikrokredit in das Familien-Pflanzenbusiness. Ihr Mann ist Gärtner.

In einer zweiten Phase geht es um die Planung des Einkaufes. Josefa füllt mit Nicola eine Liste aus, in der sie genau angibt, was sie wo, zu welchem Preis und wie einkauft und wieder verkauft. Auch dieses Gespräch zeigt einmal mehr wie viel Wert Nicola auf die persönliche Betreuung ihrer 150 Kreditnehmerinnen legt. Die Mitglieder werden geschult, betreut und unterstützt. Dies alles mit dem Ziel, dass auch die ärmsten Familien die Chance bekommen, eines Tages komplett auf eigenen Beinen zu stehen und so ihre Lebensqualität nachhaltig verbessern zu können.

Nun geht es bereits weiter zum nächsten Gruppenmeeting: auch hier ist viel Flexibilität und Geduld gefragt. Das erste Mitglied besuchen wir zu Hause, da es sich um die kranke Frau vom Morgen handelt. Wir bringen ihr den Ingwer, holen ihre Ratenzahlung und lassen sie einen weiteren Vertrag unterschreiben, damit sie am nächsten Tag ihren neuen Kredit erhalten kann. Doch als wir mit etwas Verspätung bei ihrer Gruppe eintreffen, ist nur die Präsidentin anwesend. Sie weiss nicht,  wo sich die anderen beiden Frauen befinden. Nicola erklärt, dass eines der vier Mitglieder bereits im Voraus bezahlt hat. So machen wir uns auf den Weg, um die letzte Frau zu Hause aufzusuchen. Diese erklärt und seelenruhig, dass die von ihr belieferte Zwischenhändlerin zwar die Ware erhalten hat aber ebenfalls krank im Bett liegt und nichts verkaufen konnte. Somit hat sie ihre Güter auf Kredit weitergegeben und kann ihrer eigenen Zahlung noch nicht nachkommen.



Nicola erklärt ihr mit viel Geduld und Bestimmtheit, dass das kein Grund ist, einfach nicht zu erscheinen. Sie darf die Rate nun am Wochenende begleichen, muss aber ihre Mitglieder persönlich informieren, insbesondere da das vierte Mitglied den ausstehenden Kredit nun erst am Tag der fälligen Ratezahlung erhalten wird.

Nach diesem Zwischenfall müssen wir umgehend wieder zurück nach San Pedro, da Nicola noch drei Gruppenmeetings vor sich hat, die in ihrem Büro stattfinden.

Das erste Meeting um 3 Uhr scheint auszufallen, da eine ganze Gruppe nicht erscheint. Nicola versucht die Zeit so effizient wie möglich zu nutzen und widmet sich der Planung des nächsten Tages.

Während der nächsten Sitzung platzt die vorherige Gruppe ins Büro und stellt klar, dass es nicht ihre Schuld ist, dass alle vier Frauen eineinhalb Stunden zu spät sind. Sie hätten mit vereinten Kräften ein Blatt gesucht, auf dem alle Zahlungen der Gruppe erfasst sind bis sie feststellten, dass das Papier im Büro von Vision Guatemala hinterlegt war. Die Gruppe wird bis zum Ende der nächsten Sitzung aus dem Büro geschickt und um etwas Geduld gebeten.


Nun wird das Gespräch mit der anwesenden Gruppe fortgesetzt, die heute einen Kredit erhalten soll. Bereits am morgen hatten wir der Gruppe einen Besuch abgestattet. Die Gruppe ist sich nun einig, wer den Kredit zuerst ausbezahlt erhält. Die Mitglieder unterzeichnen per Fingerabdruck den Gruppenvertrag, da sie ihren Namen nicht schreiben können.

Nun darf die wartende Gruppe kommen, um die Ratenzahlungen zu begleichen. Kaum sind diese weg, steht eine Frau vor der Türe, die zusammen mit ihrer nicht anwesenden Kollegin in das Projekt einsteigen möchte. Also macht Nicola eine kurze Einführung und vereinbart Termine um die Frauen zu interviewen und ihren Antrag zu prüfen.

Abends um sechs Uhr kehrt Nicola nach Hause zurück um etwas auszuruhen, doch dafür bleibt nicht viel Zeit. Wie schon erwähnt handelt es sich bei Vision Guatemala um eine NGO, wobei sich das Team seinen Lebensunterhalt selbst verdient. Dies tun sie mit Hilfe ihrer eigenen Bar (Coco‘s Bar), in der sie bis spät in die Nacht hinein Touristen mit frischen Drinks versorgen.

Abends beginnt das “andere Leben” in der Coco’s Bar. Hier verdienen sich Cesar und Nickie ihren persönlichne Lebensunterhalt. Oft werden auch das Benzin und andere Projektauslagen mit den Bareinnahmen bezahlt.


Mein persönliches Fazit nach einem Tag mit Vision Guatemala: Es ist unglaublich anstrengend, man braucht endlos viel Geduld mit den Kreditnehmerinnen und Flexibilität ist das oberste Gebot.

Es war für mich unfassbar zu sehen, wie 15-20 Personen in zwei kleinen Räumen ohne Badezimmer und mit einer Feuerstelle anstatt einer Küche, leben und in nur zwei Betten schlafen können. Andererseits hat es mich beeindruckt zu sehen, wie viel man mit so wenig Geld (die Kredite beginnen bei 112.- und gehen bis max. 250.-), viel Geduld, Fingespitzengefühl und einem relativ einfachen Konzept erreichen kann. Nicola konnte mit ihrer Arbeit hier bereits 150 Familien helfen, ihr eigenes Buisness zu eröffnen und so selbständig auf eigenen Beinen zu stehen.

By Geraldine

Saturday 21 July 2012

Kunstworkshop 2012

Die Kinder heissen unsere neue Mitarbeiterin Geraldine herzlich willkomen!

Liebe Freunde von Vision Guatemala
Am letzten Samstag haben sich wieder einmal einige Kinder der Projektteilnehmerinnen von Vision Guatamla zum Malkurs versammelt. Der Anlass war ein voller Erfolg: die Kinder mussten für einen halben Tag nicht auf dem Feld arbeiten sondern genossen es mit andern Kids zu malen. Cesar und Nickie haben ihnen die Basics des Zeichnens erklärt und sie beim Erstellen ihrer Kunstwerke unterstützt. Nach dem Malkurs gab es ein Mittagessen für die Kinder, die sich sonst fast ausschliesslich von Tortillas und Bohnen ernähren.



Um diesen Workshop auch in Zukunft ermöglichen zu können sind wir auf eure Hilfe angewiesen. Ihr könnt uns sowohl finanziell (Das Mittagessen für die ganze Gruppe kostet 10.- bis 15.- CHF) wie auch vor Ort bei der Durchführung des Workshops unterstützen. (by Geraldine)


weitere Bilder zum Workshop können auf unserer Facebook Seite www.facebook.com/visionguatemala bestaunt werden.

Thursday 19 July 2012

Bienvenida Geraldine!

 

Our new volunteer has been here for two weeks now. As it’s her first time in Guatemala, we are taking her all over the country, from Coban and Semuc Champey all the way down to Monterrico Beach. Rio Dulce, Livingston and Tikal are next! Geraldine speaks fluent English and German and is an excellent writer in both languages. She will be of great help for our publicity abroad. Thanks Geri, we are very happy to have you here!

Monday 9 July 2012

Geraldine’s erster Eindruck von Guatemala

Nadem meine Cousine Nicola nun seit 4,5 Jahren in Guatemala lebt und arbeitet, dachte ich mir es sei an der Zeit mir selbst ein Bild zu machen…

Erster Abend nach der Ankunft – direkt an die Bar des Backpackerhotels Umma Gumma!

Bei meiner Ankunft, spät abends in Guatemala City wurde ich nach knapp 24 Stunden Reisezeit freudig empfangen und war unglaublich erleichtert wieder ein bekanntes Gesicht zu sehen.

Cerro de la Cruz, Antigua Guatemala

Um mich nicht sofort dem ultimativen Kulturschock auszusetzen verfrachteten Cesar und Nickie mich gleich nach Antigua von wo aus wir die ersten Ausflüge in Guatemala starteten. Antigua ist eine wunderschöne Altstadt mit Pflastersteinen, bunten Häusern voller Marktstände und Touristen.





Unsere ersten Ausflüge führten uns aufs Cerro de la Cruz, auf eine Tour auf den aktiven Vulkan Pacaya und nach Semuc Champey in Coban. Die Ausflüge waren genial und die Vielseitigkeit des Landes ist unglaublich.

Semuc Champey inmitten des dichten Waldes im Zentrum des Landes
heisse Marshmallows auf dem aktiven Vulkan Pacaya

All disese Touren waren super organisiert und auf den Tourismus ausgerichtet. Trotzdem fallen immer wieder Details auf, die darauf hindeuten, dass dieses Land auch seine grossen Schattenseiten hat und sich dringend etwas ändern muss. Egal wo man sich befindet, sieht man Kinder Waren verkaufen, Touristen bedienen oder Betteln. Die Strassen sind übersäht mit Strassenhunden und Abfall. Auch die aktuelle Rechtslage ist erschreckend…nur ca. 2% der Verbrechen in Guatemala werden aufgeklärt.

Nachdem ich mir ein Bild von der traumhaften Natur von Guatemala bilden durfte,  ging es dann los nach San Pedro, wo Nickie und Cesar leben und arbeiten. Vor kurzem sind sie innerhalb des Dorfes umgezogen und wohnen nun nicht mehr in einer Bar, sondern in einem bunten, zweckmässig eingerichteten Haus. Gleich daneben befindet sich Nickies Büro, wo auch die Gruppenmeetings und Malkurse für die Kids stattfinden.

Aussicht aus meinem Zimmer zu Hause bei Nickie und Cesar direkt am Atitlansee
Die Kids vom Kunstworkshop haben mir als Überraschung ein Willkommens-Plakat gemalt.

Weitere Fotos unserer Reisen sind auf der Facebook Seite der Coco’s Bar zu finden. https://www.facebook.com/cocos.bar.5

By Geraldine